Nach dem Aufstehen als erstes Notizbuch und Bleistift zücken und drei Seiten schreiben – was dir gerade durch den Kopf geht. Das ist alles. Das Konzept der Morgenseiten ist bestechend einfach. Entscheidend ist bloß, dass man sie jeden Morgen schreibt.
Laut der „Erfinderin“ der Morgenseiten, der Schreib- und Kreativitätstrainierin Julia Cameron, kann man bei dieser Methode nichts falsch machen. Das Ziel ist, zu Papier zu bringen, was einem gerade duch den Kopf geht, sei es auch noch so belanglos.
Hauptzweck der Übung ist eine Art intelektueller Aderlass: Unwichtiges, Jämmerliches, alles was zwischen dir und deiner Kreativität steht, wird erst einmal niedergeschrieben und dabei aus dem Weg geschafft. Dies ist in der Regel wenig lesenswert. Cameron rät zu Beginn gar vom Lesen der Ergüsse ab.
Dafür macht diese Schreibpraxis laut Cameron zuverläßig dem inneren Zensor, der gnadenlos und unabläßig über uns urteilt und uns abwertet, den Garaus. Auf diese Weise ebnen uns die Morgenseiten den Weg dafür, dass wir aus unserer Kreativität schöpfen können.
Ab und zu dringen so auch wahre Weisheiten nach außen. Cameron vergleicht die Morgenseiten in ihrem Werk „Der Weg des Künstlers“ denn auch mit einer Meditationsübung, die uns nicht nur Zugang zu inneren Einsichten ermöglicht, sondern auch die Kraft verleiht, uns neu zu erfinden.
Tatsächlich schwören viele kreative Menschen – Malerinnen, Schauspieler, Wirtschaftsführerinnen, Hausmänner – auf die Vorzüge der Morgenseiten. Sie bieten als Ritual auf jeden Fall eine wunderbare Gelegenheit, sich täglich Zeit zum Schreiben zu nehmen und sich sich selber zuzuwenden.
Frei von der Leber weg
Autorinnen wie Dorothea Brande oder Christina Baldwin haben ähnliche Ansätze verfolgt. Brande betonte beispielsweise, dass das frühmorgendliche Schreiben in einem gewissen Dämmerzustand einen besseren Zugang zum Unbewussten schafft.
Baldwins Flow writing beim Tagebuchschreiben zielt ebenfalls darauf ab, den Gedanken freien Lauf zu lassen. Als Ausgangspunkt dient ein Bild aus dem Umfeld des Schreibenden, etwas, das ins Auge springt und zum Schreiben inspiriert. Davon ausgehend rät Baldwin zum freien Assoziieren.
Alle diese Schreibkonzepte sind verwandt mit dem freien Schreiben nach Elbow. Auch hier geht es darum, nicht auf Rechtschreibung oder Grammatik zu achten und den Zugang zu seinen Emotionen zu erleichtern.