Mit sämtlichen Sinnen schreiben

Es müssen nicht immer tiefgründige Einsichten im Zentrum unserer Texte stehen. Manchmal ist es schlicht lohnend, Gegenstände oder Landschaften genau zu betrachten und zu beschreiben. Ein Plädoyer für das Schreiben mit sämtlichen Sinnen.

Wer mit allen Sinnen schreibt, formuliert lebendigere Texte, und zieht Leserinnen und Leser in seinen Bann. Wenn wir Erfahrungen so schildern, dass die fünf Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten – dabei angesprochen werden, dann setzt bei den Leserinnen und Lesern Kopfkino ein. Dabei ist es egal, ob es sich um biografische Texte oder um Fiktion handelt.

Erzähl mir nicht, dass der Mond scheint. Zeig mir seinen Schimmer auf einem Stück zerbrochenem Glas.

Anton Tschechow

Lebendige Beschreibungen erlauben es, zu zeigen, statt zu rapportieren. Im besten Fall können unsere Leserinnen und Leser unsere Erfahrung nachfühlen.

Erinnerungen und Erfahrungen sind mit sinnlichen Informationen verknüpft. Oft werden Erinnerungen durch das Verweilen bei den sinnlichen Wahrnehmungen also erst so richtig wach.

Das sinnliche Schreiben lässt sich trainieren: So kannst du beispielsweise versuchen, dich an Gerüche aus deiner Kindheit zu erinnern, etwa an Omas Apfelkuchen, den eigentümlichen Duft des frisch geputzten Schulhauses nach den Sommerferien oder den Stallgeruch auf dem Bauernhof der Nachbarn.

Nimm sämtliche Sinne mit auf

Versuche, die Düfte genau zu beschreiben. Der Apfelkuchen riecht etwa süß nach Äpfeln, vielleicht mit einer Spur Vanille. Nimm die anderen Sinne mit auf. Wie schmeckt der Kuchen in deinem Gaumen? Wie fühlt sich seine Textur an? Gibt es beim Schlemmen ein Geräusch?

Überlege, ob dir außergewöhnliche Begriffe einfallen, um Dinge zu beschreiben. Ein Stallgeruch wird oft als stechend bezeichnet. Findest du ein anderes Wort, das genauso gut oder besser passt? Riecht es vielleicht bitter nach Gülle oder wohlig nach Heu, oder vermischen sich die Gerüche auf eine eigentümliche Weise?

Eine weitere Möglichkeit, das Schreiben mit allen Sinnen zu üben, bietet sich in der Natur. Schau dir deinen Schreibplatz mal ganz genau an, blick aus dem Fenster oder geh nach draußen und richte deine Aufmerksamkeit nicht nur auf das, was du siehst, sondern auch auf das, was du hörst und riechst.

Hinschauen fördert Wertschätzung

Eine Szene am Ufer eines kleinen Baches etwa hält so einiges für unsere Sinne bereit. So lassen sich vielleicht Bienen auf dem farbenfrohen und wohlriechenden Flieder am Ufer nieder. Die Bienen summen, eine Grille zirpt, das Wasser plätschert und in der Ferne blökt ein Schaf. Taste auch nach den Grashalmen. Sind sie messerscharf, oder noch leicht feucht vom Morgentau?

Das genaue Hinschauen, Hinhören und Hinspüren kann auch den postiven Nebeneffekt haben, dass wir unsere Umgebung ganz neu zu schätzen wissen. Denn im Alltag gehen subtilere Wahrnehmungen oft in Betonwüsten und Strassenlärm unter.

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